Im Oktober 1944 soll Kommandant des Konzentrationslagers Ravensbrück Fritz Suhren einen Befehl von Heinrich Himmler erhalten haben, dass in seinem Lager rückwirkend auf sechs Monate monatlich 2000 Leute zu sterben hätten.

Daraufhin wurden im Januar 1945 sieben Baracken des Jugendkonzentrationslagers geräumt, mit Stacheldraht und Sichtschutz abgetrennt und zu einem Vernichtungslager umfunktioniert.

Die Mädchen aus dem Jugend-KZ Uckermark wurden in die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen sowie in das Übergangslager Dalgow-Döberitz bei Berlin, dem auch ein Rüstungswerk angeschlossen war, überstellt. Einige kamen zur weiteren Zwangsarbeit in landwirtschaftliche Betriebe. Die ca. 20 zurückbleibenden Mädchen und jungen Frauen wurden, vom Vernichtungslager abgeschirmt, in vier abseitsliegende Baracken untergebracht.

Die deutschen Mädchen sind vor uns gegangen, weil die SS die Baracken für das Vernichtungslager gebraucht hat. Schrecklich sah es aus, als die Transporte mit Männern und Frauen angekommen sind.“

Stanka Krajnc Simoneti

Häftlinge

Am 28. Januar 1945 wurden die ersten Frauen in das Vernichtungslager Uckermark gebracht: Kranke, invalide und ältere Frauen, unter ihnen eine große Anzahl polnischer Frauen, die nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes nach Ravensbrück deportiert worden waren, sowie ungarische Jüdinnen, Widerstandskämpferinnen unterschiedlicher Nationalitäten und einige Häftlinge aus dem Männerlager Ravensbrück.

Versprechungen

Man machte diesen Frauen vor, sie kämen in ein Lager, wo die Verhältnisse viel besser wären als im alten Lager. Man versprach ihnen, sie müssten keinen Appell stehen, sie würden nur stricken, sie bekämen mehr Platz, mehr Möglichkeit zum Sauberhalten, mehr und besseres Essen, mehr Ruhe“.

Irma Trksak

Die Wirklichkeit sah aber anders aus:

Aufstehen mußten sie um 5 Uhr, heraus aus dem Block mußten sie bis das Mittagessen kam, das war meistens um 11 Uhr. Zu Mittag bekamen sie 1/4 Liter Wassersuppe. Danach mußten sie um 2 Uhr Appell stehen bis 4 Uhr oder auch länger, je nachdem, wie Neudeck [Lagerleiterin] gelaunt war. [...] Die meisten Frauen in der Uckermark waren alt oder krank, und wenn sie es nicht waren, so sind sie es geworden. Auch die Kranken mußten heraus zum Appell, wenn sie nicht konnten, so wurden sie herausgeschleppt. Oft sind solche während des Appells gestorben. Mitte Februar wurden ihnen Jacken und Strickwesten abgenommen, so daß sie in Frost und Schnee nur im Kleid stehen mußten.“

Aussage von Irma Trksak am 4. Juni 1946, verwendet beim 3. RavensbrückprozessDie Torturen des Appells und der Arbeit sowie der weitgehende Entzug alles Lebensnotwendigen – Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Hygiene, medizinische Betreuung – und diverse brutale Bestrafungen führten zu der beabsichtigten hohen Sterblichkeitsrate.

Außerdem wurden Frauen durch das Gift Luminal und anderen Giftinjektionen ermordet. Ab Mitte Februar 1945 wurden zudem täglich 50 bis 200 Frauen durch willkürliche Selektionen in die Gaskammern nach Ravensbrück transportiert und dort ermordet.

Mit Injektionen, mit Gift, durch Stehen in Kälte und Regen, indem die Essensration gedrittelt worden ist, täglich sind im Revier und auf den Blocks viele Frauen gestorben [...] In der Uckermark sind wir sehr bald daraufgekommen, daß die Frauen irgendwo außerhalb des Lagers vergast werden. [...] Die Frauen wurden mit Lastautos weggeführt und kamen nicht mehr zurück.“

Irma Trksak

Beim täglichen Appell wurden die Opfer zur Vergasung ausgesucht [...] und wurden in die Turnhalle überführt. Die Turnhalle war ein kahler Raum [...] Auch wurden sie [die Opfer] vollständig entkleidet und mußten im nackten Zustand warten, bis Dr. Trommer und Dr. Winkelmann sie besichtigt hatten. Sie hatten weder eine Decke noch war der Raum beheizt. Die Opfer wurden meistenteils einen Tag, manchmal auch bis zu drei Tagen in der Turnhalle festgehalten und mußten so unter seelischen Qualen auf den Abtransport in den Tod warten.“

Aussage von Martha Rutenberg am 18. September 1947, verwendet beim 3. Ravensbrückprozeß

Während des Tages dann das lange Warten auf die Suppe und das Brotstück, das aber meist enttäuscht wird. Ohne Decken, sehr oft ohne Essen und ohne Arbeit waren wir bloß noch ‚Vegetierer‘.“

Maria Massariello Arata

Bei den Selektionen hat die SS die Nummern aufgeschrieben, wir mußten auch schreiben, und die Kameradinnen in der Schreibstube mußten dann die Listen fertigen. Manchmal konnten Nummern ausgelassen werden. [...] Nur einigen hast du helfen können, aber vielleicht sind die mit dem nächsten Transport sowieso ins Gas.“

Irma Trksak

Grausame Bilanz

Insgesamt wurden an diesem Ort im kurzen Zeitraum von vier Monaten 5000 bis 6000 Häftlinge grausam und systematisch getötet.

Ende April 1945 wurde das Vernichtungslager aufgelöst. Die meisten der überlebenden Frauen kamen nach Ravensbrück und wurden von dort auf Todesmärsche getrieben.