Einladungspolitik in der Frauenhetz: offen für alle!
Podiumsgespräch
Ein Gespräch zum Thema Fürsorge im NS und ihren Kontinuitäten in Kinder- und Jugendhilfe, Jugendpsychiatrie und Sozialer Arbeit mit den Schwerpunktthemen: Werte und Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit von der NS-Zeit bis heute, die spezifische Situation von Mädchen* und jungen Frauen* als Betroffene staatlicher (Zwangs-)Maßnahmen, sowie Formen und Möglichkeiten der Kritik und des Aufbegehrens gegen strukturelle Gewalt innerhalb sozialer Hilfesysteme.
Mit Gertrude Czipke (Wien), Kathi Hahn (Basel), Michaela Ralser und Flavia Guerrini (Innsbruck) und Claudia Andrea Spring (Wien).
Gertrude Czipke (Wien) absolvierte das Studium der Zeitgeschichte und eine Psychotherapieausbildung, war viele Jahre Mitarbeiterin an Projekten des Unterrichtsministeriums und hat im Jahre 2013 die Fachtagung „Jugendfürsorge und Gewalt“ organisiert. Diplomarbeit: „Die SchreibmaschinentäterInnen. Die Wiener Jugendfürsorge in den Jahren 1945 bis 1970 und ihr Beitrag zur Durchsetzung einer gegen Mädchen, Frauen, ,uneheliche‘ Mütter und deren Kinder gerichteten Geschlechterordnung.“
Das Thema der Arbeit ist die ideologische Konstruktion der Gründe für die Heimeinweisung und für weitere Verfolgung, die in der Nachkriegszeit u.a. von der „Erziehungsberatung“ formuliert wurde und zwar nach Kriterien, wie sie bereits im 19. Jahrhundert, im Austrofaschismus und im Nationalsozialismus entwickelt worden waren.
Kathi Hahn (Basel) war von 1970-72 Spartakus-Aktivistin und 1973 Mitbegründerin der Europäischen Kooperative Longo maï, ein Netzwerk von selbstverwalteten Genossenschaften in Frankreich, der Schweiz, Österreich, Deutschland und der Ukraine, in der sie bis heute lebt und arbeitet.
Ihr Beitrag zur Podiumsdiskussion wird ein Bericht über die Kampagne "Öffnet die Heime" sein, die Spartakus in den Jahren 1970/71 führte. Die Erziehungsheime waren ein Druckmittel gegen aufmüpfige Jugendliche. Egal, ob sie sich in der Lehre, bzw. am Arbeitsplatz nicht alles gefallen ließen, oder sich gegen autoritäre Verhältnisse in der Familie auflehnten, immer drohte die Einweisung in ein Heim. Die Zustände in den Heimen waren haarsträubend: Die Palette der "Erziehungsmethoden" in den schlimmsten von ihnen, reichte von der Prügelstrafe bis zu psychischen Quälereien. Spartakus forderte offene, selbstverwaltete Jugendheime und gründete selbst eines. Mit den Aktionen der Heimkampagne gelang es, den nötigen Druck aufzubauen, der maßgeblich zur Heimreform beigetragen hat. Während die österreichische Nachkriegsgesellschaft in vielen Bereichen von der Kontinuität der NS-Zeit geprägt war, verstand sich die Heimkampagne von Spartakus in der Tradition des Widerstands.
Link: www.prolongomai.ch
Flavia Guerrini (Innsbruck) ist Absolventin des Diplomstudiums der Pädagogik (Studienzweig: Kritische Geschlechter- und Sozialforschung), in das PHD-Studium Erziehungs- und Bildungswissenschaft inskribiert, externe Lehrende am Institut für Erziehungswissenschaft an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und aktiv im ArchFem – Interdisziplinäres Archiv für feministische Dokumentation.
Michaela Ralser (Innsbruck) ist Erziehungswissenschafterin, Ao.Univ.-Professorin am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Innsbruck. Arbeitsschwerpunkte: Kritische Geschlechter- und Sozialforschung, Wissenschaftsgeschichte und Wissensschaftsforschung, Strukturbildung des Subjekts und Geschichte der Erziehung.
Flavia Guerrini und Michaela Ralser arbeiten in verschiedenen Rollen seit einiger Zeit an diversen Forschungsprojekten zur Aufklärung von Bedingung und Wirkung der Fürsorgeerziehung in der Fürsorgeregion Tirol und Vorarlberg. Ihre Arbeiten gehen dabei zurück bis an den Anfang der Fürsorgeerziehung um 1900 und herauf bis zum vorletzten Jugendwohlfahrtsgesetz und der späten Schließung der Erziehungsheime Westösterreichs um 1990.
Sie werden in ihrem Beitrag versuchen, die Kontinuität der gewaltvollen öffentlichen Ersatzerziehung über die diversen Systemgrenzen hinweg darzustellen - mit einem Schwerpunkt auf die NS-Zeit. Diese Geschichte in das kollektive Gedächtnis zu verankern erscheint ihnen besonders wichtig, schließlich zeigt sich an der öffentlichen Ersatzerziehung besonders deutlich, wie der Staat sich die Erziehung derer vorstellt(e), die er ganz unter seine Fürsorge und Kontrolle nimmt.
Wer sich über ihre Projekte unter der Dach „Regime der Fürsorge“ kundig machen möchte, findet alles unter folgenden Link: http://www.uibk.ac.at/iezw/heimgeschichteforschung/
Claudia Andrea Spring (Wien) ist Sozialarbeiterin (1982), Sozialpädagogin (1983), Historikerin (1999) und Coach (2012). Derzeit ist sie Provenienzforscherin im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien.
Während ihrer Ausbildung und späteren Tätigkeit im sozialen Bereich waren Heimreform, Psychiatriereform und vor allem die Frage nach Werten und Rahmenbedingungen der sozialen Arbeit zentrale Themen. Doch erst im Rahmen des Studiums der Geschichte und ihrer wissenschaftlichen Forschungen lernte sie mehr über die Geschichte sozialer Arbeit – vor allem über die NS-Zeit, wo Fürsorgerinnen (unter anderem auch) maßgeblich an der Vorbereitung eugenischer Zwangsmaßnahmen wie den NS-Zwangssterilisationen beteiligt waren. Seither beschäftigt sie die Frage nach den Kontinuitäten von Werten und Rahmenbedingungen der sozialen Arbeit – von der NS-Zeit bis heute.
Links: www.claudia-spring.at; www.coaching-spring.at, www.volkskundemuseum.at